AW: Komys 'g.s.u. per sempre'-Logbuch
Bis auf Cardio / Radfahren heute keinen Sport gemacht - dafür einen dummen, üblen rassistischen Vorfall hautnah miterleben müssen. Eine gutgelaunte, afrikanische Frau war in einem relativ kleinen Supermarkt. Ein Teil ihrer Kleidung zeigte stolz und bunt ihre Herkunft. Unsere Wege kreuzten sich zwei, drei Male, während wir beide unsere Einkäufe tätigten. Bei einer Gelegenheit - während ich noch überlegte welchen Kakao ich mitnehme - war sie neben mir und holte sich Kaffee, aus der Reihe oberhalb - und sang leise bis mittellaut, davor und währenddessen in ihrer Muttersprache guuuutgelaunt

und intonationssicher vor sich hin.
Einige Zeit später war ich bereits fertig an der Kasse und packte weiter wegstehend ein. Auf einmal höre ich laute Stimmen rasch in Richtung Kasse kommend. Sie war ganz außer sich und schimpfte auf eine entferntere Gruppe Jugendliche mit offensichtlichem Migrationshintergrund, die - soviel konnte man auf alle Fälle verstehen - sie "schwarzer Affe" und andere Sachen genannt hatte. Sie verteidigte sich und meinte sinngemäß, dass sie ihr ganzes Leben lang mit der schwarzen Haut lebt, es ist ihre Haut, so ist sie geboren, sie kommt eben aus Afrika, da hat man schwarze Haut, jetzt lebt sie halt in Deutschland, die Farbe ist nicht veränderlich, na und, es ist so; was soll das?
War so aufgebracht und verletzt, dass sie auch nicht mehr in der kleinen Schlange vor ihr warten wollte und alles stehen und liegen ließ - sich im Vorbeigehen an den zwei Kassiererinnen wendete und ihnen all das erzählte. Keine(!) Reaktion(!) von den beide.
Was zum Teufel?! Dabei war es offensichtlich, dass sie nach Recht, Verständnis und eventuellen Zuspruch suchte und diese Sachen ganz dringend brauchte :-(, auch war der eine zahlende Kunde an der Kasse vor der Frau schon lange fertig und weg. Habe mich währenddessen auf diese steifgefrorenen, stummen Verkäuferinnen geärgert, die bestenfalls die Schulter zuckten, sich eindeutig nicht weiter mit ihr abgeben wollten oder ihr entgegenkamen .
Sie ging dann weiter Richtung Ausgang, blind für andere Leute - weil ihr die zwei an der Kasse schon keinen Beistand gegeben hatten - und war damit kurz auf meiner Höhe. Habe ihr Zuspruch gegeben und gemeint, dass sie vollkommen Recht hat und man sich sowas nicht gefallen lassen soll und muss. Sie wendete sich halberleichtert in meiner Richtung, nach dem Motto: endlich jemand der mir Gehör schenkt - blieb kurz stehen und machte ihrem Ärger nochmal kurz Luft; schilderte, wie die Jungs sie beschimpft und blöd angemacht haben; dabei traten ihr plötzlich dicke Tränen in den großen, weitaufgerissenen Augen -

mein Herz zerbrach in dem Moment für sie, während ich ihr weiter so gut es ging zwischendrin zusprach und ihren Arm tätschelte (Worte reichten einfach nicht aus), während sie sich kurz danach abrupt umdrehte und rausging - wollte wahrscheinlich nicht vollends in Tränen ausbrechen.
Packte meinen Kram daraufhin weiter zusammen - und schleppte alles zu meinem Fahrrad. Was für ein Zufall... die ganze Gang versammelte sich direkt neben meinem Rad. 'Ok, Zeit und ideale Gelegenheit denen etwas auf den Zahn zu fühlen'... Also fragte ich sie, was da drin los war, was und warum sie sowas gemacht haben, sie 'schwarzer Affe' zu nennen...
- Die hat uns blöd angemacht... und Hurensohn zu mir gesagt... und dann neben mir auf den Boden gespuckt.
- Ja, aber was habt ihr davor gemacht, dass sie das getan hat?
- Wir haben nichts gemacht, sie kam einfach so, nannte mich Hurensohn!!! *der sich aufspielende, mittelgroß gewachsene Scheißer gab sich verärgert, selbstgerecht, immer wieder empört ohne Ende, Kinn weit nach oben gezogen; hat sich groß und wichtig gemacht und sich dabei mächtig, in seiner Ehre(!) verletzt aufgerichtet*
- Keine erwachsene Frau kommt einfach so auf dich zu und macht das, erzähl doch nichts. Ihr habt bestimmt angefangen und davor provoziert...
- Nein, man! Sie hat angefangen und mich einfach so Hurensohn...
... Ein Teil der Gruppe entfernte sich schon langsam von meinem Fahrrad und ging weiter, da kommt ein kleiner, unscheinbarer Typ aus der Gang, von hinten an mir vorbei und meinte in der noch bestehenden Halbrunde, 'es stimmt nicht, ich hätte Recht, der Kerl hat tatsächlich angefangen und sie provoziert, sich lustig über sie gemacht und schwarzer Affe genannt'.
- Warum?
- Sie hat da im Supermarkt so gesungen! - meinte plötzlich der wichtigtuerische Depp, der sie beleidigt hatte, nachdem ein, zwei weitere dem Kleinen Recht gaben und seiner Aussage zustimmten
- Lass sie doch singen!
Sich daraufhin noch versucht rauszureden, aber hat keinen Sinn mehr gemacht und die Wahrheit war eh auf den Tisch. Meinte noch zum kleinen Kerl (er war ca. ähnlich alt, nur kleiner gewachsen als die anderen, machte außerdem einen umgänglichen, reiferen, nachdenklicheren Eindruck), dass das nicht in Ordnung ist, was sein Freund da macht. Er nickte und stimmte mir ernst zu, die Situation sichtlich bedauernd.
Ich wollte gerade wegfahren - sehe ich, sie kommt zurück

. Aber anstatt in meiner Nähe zu bleiben und von dort aus zu schimpfen, ist sie auf die Jungs zugelaufen und hat dem einen die eingekaufte Plastikflasche aus der Hand geschlagen. Zum Glück war ein Mann in der Nähe und deeskalierte alles ein wenig, ein oder zwei von der Gruppe kamen nämlich drohend in ihrer Richtung und sie hatte sie daraufhin weggeschubst, während sich die anderen Jungs verziehen wollten. Sie drohte ihnen mit der Polizei und zückte bereits ihr Handy, das hat die noch verbliebenen, drohenden Typen etwas verunsichert.
Hätte die Polizei tatsächlich was machen können oder was gemacht? Kann man da was machen, wenn jemand einen rassistisch beleidigt? Nebenbei die Ironie an der Sache, alle Jungs in der Gruppe hatten selber relativ dunkle Haut und eine Erscheinung, die auf nordafrikanische, türkische oder arabische Wurzeln hindeutete (und obwohl sie wohl hier in Deutschland zur Welt gekommen sind, war ihr Deutsch miserabel und die Aussprache im bekannten, unsäglichen pseudo-ghetto-gangster-Stil).
Sie haben sich dann alle Richtung Straßenbahn-Haltestelle verzogen - ich hoffe dass sie ihnen nicht nachgelaufen ist.
Persönlich fand ich es etwas schockierend, dass mehrere Leute den Krawall stumm mitverfolgt haben, aber sich kein Mühe machten, sie persönlich zu fragen oder mit ihr zu kommunizieren - bspw. was denn los sei. Ein Mann fragte mich um was es ging, weil er mich gesehen hatte, dass ich sie zu beruhigen versuchte, nachdem sie zurückgekommen war, kurz bevor sie zu den Jungs lief und dem einen die Flasche aus der Hand schlug.
Und wie gesagt, da war glücklicherweise noch der etwas ältere Mann, welcher sich zwischen den Jungs und sie drängte und die zwei Parteien so physisch trennte. Aber ansonsten - überall sich zurückhaltende, kalte und oder lediglich aus der Ferne still gaffende Ebbe.