11.3.1 Großer Brustmuskel (M. pectoralis major)
Der große Brustmuskel nimmt als sehr kräftige, bis zu 3 cm dicke, fächerförmige Muskelplatte den weitaus größten Teil der vorderen Brustkorbwand ein (Abb. 117, Tafel II und IV). Er lässt beim herabhängenden Arm eine annähernd viereckige, beim über die Horizontale gehobenen eine mehr dreieckige Form erkennen, wobei der große Brustmuskel mit seinen Muskelbündeln die vordere, weich gerundete Achselfalte und damit zugleich die Vorderwand der Achselhöhle bildet. Der Muskel lässt drei Ursprungsteile erkennen; die Hauptmasse des Muskels kommt von der Außenfläche des Brustbeines und von den 2. - 7. Rippenknorpeln (Pars sternocostalis), während ein weiterer Teil vom medialen Drittel des Schlüsselbeines (Pars clavicularis) entspringt und ein relativ schlanker Muskelzug vom vorderen Blatt der Rectusscheide (Pars abdominalis) ausgeht. Die sehr feinen Bündel des großen Brustmuskels, die noch von der Brustfaszie (Fascia pectoralis) überzogen werden und deshalb eine glatte, direkt unter der Brusthaut liegende Oberfläche aufweisen, konvergieren nach lateral und setzen an der Großhöckerleiste des Oberarmbeins (Crista tuberculi majoris humeri) an, nachdem sich kurz zuvor noch die Faserzüge überkreuzt haben, so dass im Bereich der Ansatzstelle die Muskelbündel des Bauchpresse-Anteiles zuoberst, die vom Schlüsselbein kommenden zuunterst liegen.
Diese durch die Haut sichtbar hervortretende Überkreuzung der Ansatzfasern des großen Brustmuskels ermöglicht, auch auf den herabhängenden Arm einzuwirken (ihn ventralwärts zu bewegen). Darüber hinaus stellt die Muskelfaser(-bündel)-Kreuzung einen wichtigen Schutzmechanismus gegenüber vorzeitigen, plötzlichen Überdehnungen dar, da erst bei völlig erhobenem Arm (d. h. aufgerollten Faserzügen) eine maximale Dehnung des großen Brustmuskels eintreten kann.
Die Funktion des großen Brustmuskels besteht in einem Heran-nach- vorn- und innen-Bringen (Adduktion, Anteversion, Innenrotation) des abgespreizten Armes, wie es beispielsweise beim Brustschwimmen der Fall ist; es darf uns deshalb nicht wundern, wenn wir bei den Athleten dieser Disziplin eine besonders kräftig entwickelte große Brustmuskulatur antreffen, was auch für Hieb- und Schlagbewegungen sowie für alle Stoß- und Wurfabläufe (Tafel XV u. XVI, Tafel XLI - XLVI) zutrifft, da diese aus einem gedehnten Zustand heraus erfolgen. Werden beide Arme fIxiert, wie etwa beim Tragen oder Ziehen von Lasten mit der Hand, beim Klettern (Tafel XXX) oder beim Klimmzug, dann ziehen der rechte und linke große Brustmuskel den Körper gegen die Arme nach oben, wobei sie vom breiten Rückenmuskel (M. latissimus dorsi), vom hinteren oberen Sägemuskel (M. serratus posterior superior) und vom Kappenmuskel (M. trapezius) unterstützt werden. Bei dieser Übung werden - wie so oft bei Bewegungsabläufen - Ursprung und Ansatz miteinander vertauscht, was wir auch beim Aufstützen der Arme auf einen Tisch sehen, eine Tatsache, die sich vor allem Asthmakranke im Anfall oder an Keuchhusten erkrankte Kinder zu Eigen machen, da in dieser Stellung der große Brustmuskel zu einem Hilfsmuskel für die verstärkte Einatmung wird.
Der große (und kleine) Brustmuskel wird während der künstlichen Atmung zur Wiederbelebung Ertrunkener zum Rippenheber!
Bei Verkürzung der Faserbündel des großen Brustmuskels sind Armbewegungen in Abduktion über den Kopf eingeschränkt. Bei Abschwächung der Kraft des Muskels ist die funktionelle Zusammenarbeit mit dem schrägen Bauchmuskel der Gegenseite gestört; Hack- und Schlagbewegungen sowie das Halten und Tragen schwerer Gegenstände mit beiden Händen in Taillenhöhe sind erschwert.