Thorben,
daß verhaltensbiologen und humanethologen dieses modell verwenden ist ja nicht weiter verwunderlich, denn schließlich haben sie es ja selbst bei der beobachtung von tieren entwickelt.
die fragestellung, die ich aber eigentlich anregen wollte ist die, warum dieses modell keinen nennenswerten eingang in den sozialwissenschaftlichen diskurs gefunden hat, der sich ja schon bedeutend länger mit dem menschlichen verhalten als gegenstandsbereich beschäftigt.
nun gut:
es sei denn, du willst selbst darlegen warum das 'Alphamännchenmodell' keinesfalls auf Menschen übertragbar sein soll?
das werde ich mit sicherheit nicht tun, weil das nunmal nicht meine aussage war. natürlich werde ich dir gerne nochmal meine ursprüngliche aussage genauer erläutern und dabei auch ein paar nützliche hinweise für eine ausführlichere beschäftigung mit dem thema liefern.
hier nochmal zur erinnerung meine aussage:
matten schrieb:
wie dem auch sei, das aus der verhaltensforschung von rudel- und herdentieren übernommene modell mit alpha-, beta- und omegatieren ist zu einfach, um soziale gruppenprozesse, wie sie hier vorlagen, auch nur annähernd realitätsnah in ihrer komplexeren struktur wiederzugeben. generell erscheint es mir eher einer populären, simplifizierenden modeströmung zu entstammen dieses modell auf menschliche kleingruppenen anzuwenden als denn irgendeiner ernsthaften soziologischen betrachtungsweise.
wenn man eine solche aussage trifft, dann stellt sich natürlich als erstes die frage was denn nun der unterschied zwischem dem tier und dem menschen ist. es ist dabei ja keine frage, daß der mensch auch ein tier ist, aber es gibt durchaus bedeutende unterschiede zwischem dem menschen und allen anderen tieren. in diesem zusammenhang sind dabei vorallem die folgenden zu betrachten:
- der mensch ist ein kulturschaffendes wesen. kein anderes tier vermag es seine umwelt in diesem ausmaß an sich anzupassen.
- der mensch ist ein instinktreduziertes wesen.
- der mensch verwendet in einem wesentlich höheren ausmaß lernprozesse, um sein verhalten zu prägen. es geht hier nicht nur um solche lernprozesse, wie sie vielen tieren zu eigen sind, in dem das verhalten anderer gruppenmitglieder nachgeahmt wird, sondern auch um die wissensaufnahme von wissensbestandteilen, die auch mehrere generationen zurückliegend gewonnen werden konnten.
im gegensatz zu anderen tieren wird das verhalten von menschen sehr stark durch die sozialisation geprägt, die er durchläuft. es gibt mannigfaltige einflüsse des menschenlichen verhaltens die eben nicht nur aus der natur, sondern vorallem auch aus der kutur stammen. diese einflüsse stammen aus der makroebene (gesellschaft, kultur, zivilisation) als auch aus der mesoebene (institutionen) und auch der mikroebene (kleingruppe im betrieb und vorallem die sozialisation in der familie)
natürlich wird menschliches verhalten auch
zum teil durch seine gene bestimmt, aber eben nicht ausschließlich. die sozialisation und lerneffekte spielen beim menschen halt eine wesentlich größere rolle als bei anderen tieren. die rein biologische betrachtungsweise reflektiert diese enormen einflußfaktoren jedoch nicht.
kommen wir zu dem zitat, das du angeführt hast:
'Anders beim Menschen, der sich in ein soziales Raster einordnen möchte: Es liegt in unserer Natur, uns nach Rangabzeichen, Herrschaft, Macht und sozialem Status zu sehnen. Der höhere Rang ermöglicht im Regelfall höhere Privilegien: Alpha-Tiere haben Vorteile beim Fress- und Fortpflanzungsverhalten – Führungskräfte erhalten neben höherem sozialen
Status vor allem finanzielle Vorteile. Dafür sind sie verantwortlich für die Organisation des Gruppenlebens, müssen Streitereien und Konkurrenzkämpfe minimieren, Aggressionen kontrollieren und in gesellschaftlich akzeptable Bahnen lenken.'
(Herbert Hoi, Senior Scientist am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung in Wien)
es ist doch völlig unstrittig, daß der mensch nach macht, sozialen status, rangabzeichen, herrschaft uswusf. strebt. dieses streben ist
auchin seiner natur verankert, aber eben auch und in einem erheblichen maße in seiner kultur.
gerade dieses streben wurde ja auch von den sozialwissenschaften schon immer als gegenstand der betrachtung herangezogen.
an dieser stelle dürfte für dich das konzept des autoritären charakters nach erich fromm von großem interesse sein.
vergl. dazu: studien über autorität und familie. forschungsberichte aus dem institut für sozialforschung. alcan, paris 1936
wenn du dich mit diesem konzept etwas näher befasst, dann wirst du mit sicherheit feststellen wie gut sich das von
Vali erlebte in diesem konzept fassen lässt. nicht nur der charakter des direkten vorgesetzten wird verständlich, sondern auch das verhalten der untergebenen, die sich dem vorgesetzten, aber eben nicht nur diesem, unterordnen und sein und eben nicht nur sein verhalten reproduzieren.
jetzt könnte man ja die ansicht vertreten, daß beides halt nur zwei unterschiedliche modelle der betrachtung sind, allerdings bringt das auf die biologische bedingtheit des verhaltens reduzierte modell gewisse probleme mit sich:
die gesellschaftliche bedingtheit des verhaltens wird ausgeklammert, was dazu führt, daß das verhalten als etwas festgelegtes und nicht veränderliches betrachtet wird. denn, was in den genen liegt unterliegt ja nicht (zumindest noch nicht) unseren einflussmöglichkeiten. dieses gilt insbesondere bei einer rezeption dieser sichtweise durch laien. wie populär es ist mit begriffen wie z.b alphamännchen völlig unreflektiert herumzuwerfen, sieht man tagtäglich in den medien.
durch die simplifizeirung, die in der reduktion auf die bilogische bestimmtheit des verhaltens besteht, werden gesellschaftlich bedingte herrschafts- und machtverhältnisse nicht mehr reflektiert und verschwinden aus der aufmerksamkeit des betrachters.
genau das führt jedoch zur reproduktion eben dieser herrschaftsverhäkltnisse. sie werden geradezu in stein gemeißelt.
nicht anders verhält es sich nun, wenn jemand mit der rechtfertigung durch das alphamännchenmodell anfängt die leute beim kragen zu packen. genau dieses verhalten führt dann dazu, das es immer und immer wieder reproduziert wird.
das so begründete verhalten reflektiert nicht die gesellschaftlichen bedingungen und führt dann auch dazu, daß derjenige, der dieses verhalten an den tag legt letztendlich innerhalb der gesellschaft und der kultur scheitert, genau wie es ein teil meines klientels bei der arbeit immer wieder zeigt.
im nächsten beitrag verlinke ich noch ein paar kleine aufsätze, die sich mit der thematik auseinandersetzen. im nächsten beitrag, weil ich keine lust habe das ganze noch ein drittes mal zu schreiben, weil mein opera mal wieder abstürzt.
einer der aufsätze kritisiert das biologische modell des verhaltens übrigens aus einer biologischen sichtweise heraus. ich denke die literaturangaben in den aufsätzen werden dir genügend material für eine eingehendere beschäftigung mit dem thema liefern.
http://www.menschenkunde.net/artikel/sozbio.htm
http://www.michael-lenz.de/bibliografie/3-evolutionspsychologie.html
http://www.michael-lenz.de/biosoziologie.html
edit: ich habe die beiträge jetzt zusammengeführt.