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Wursti
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Funktionelle Betrachtung des leistenden Körpers
(Die Beispiele sind meist dem Boxen entlehnt, da ich mich am intensivsten mit diesem Sport auseinander gesetzt habe. Die Prinzipien sind aber auf jeden leistungsorientierten Sport anwendbar)
1.Beleuchtung der herkömmlichen Unterteilung der Kondition eines Körpers
Kraft als Fähigkeit eine Masse zu beschleunigen unterteilt in:
-Maximalkraft
-Schnellkraft
-Kraftausdauer
-Reaktivkraft
Schnelligkeit als Fähigkeit eine Bewegung auch gegen einen Widerstand mit höchst möglicher Geschwindigkeit auszuführen unterteilt in:
-azyklische (einzelne Aktionen) und zyklisch (immer wiederkehrende Aktionen, wie beim Sprinten)
Ausdauer als Fähigkeit Widerstand gegen Ermüdung unterteilt in:
-Kurzzeitausdauer
-Mittelzeitausdauer
-Langzeitausdauer
Beweglichkeit als Fähigkeit den strukturell (durch die Anatomie der Gelenke) beschränkten Bewegungsraum der Gelenke auszunutzen
Koordination als Fähigkeit Aktive und reaktive Bewegungen zu ordnen.
2.Kritik:
-Eine konditionelle Komponente wird niemals isoliert beansprucht und daher ist es sinnlos sie ohne Zusammenhang zu betrachten.
-Überschneidungen (z.B. Kraftausdauer und Ausdauer; Schnellkraft und Schnelligkeit)
-Koordination befindet sich nicht auf gleicher Definitionsebene wie die restlichen konditionellen Komponenten, wird aber beigefügt.
-Beweglichkeit befindet sich so wie Koordination nicht auf gleicher Definitionsebene
-In der Praxis ist sogar Mittelzeitausdauer nicht Mittelzeitausdauer. Ein guter Schwimmer ist nicht gleichzeitig ein guter Läufer, obwohl er über eine gute Ausdauer hat.
3.Verknüpfung der Eigenschaften (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination)
Die Kondition bezieht sich immer auf Erfüllung einer Funktion und Teilfunktionen, also setze ich die Funktion als Zentrum bzw. Basis ein. Alles andere sind Größen, welche die Erfüllung der Funktion beschränken (Man kann nicht schneller Laufen, weil z.B. die Schnellkraft nicht groß genug ist, oder die zyklische Schnelligkeitsausdauer zu gering ist)oder verhindern (Man kann kein Spagat machen, weil die Dehntoleranz der Muskeln zu gering sind)
Definition von Funktion: Die Gesamtheit von Teilfunktionen im Zusammenhang, welche zu einem bestimmten Ziel führen sollen.
Definition von Teilfunktion: Eine Tätigkeit, die Teil der Funktion ist, aber auch eine getrennte motorische oder perzeptive Komponente sein kann.
Grundsatz: Jede Funktion kann in Teilfunktionen gegliedert werden. Jede Funktion stellt einen für sich abgeschlossenen Bewegungsvorgang dar, sie kann aber auch in Reihe mit anderen Funktionen gestellt werden. (z.B. Ein Schlag beim Boxen als Funktion und die Aneinanderreihung als Kombination )
Koordination ist nunmehr die Fähigkeit eine Funktion abrufen zu können und sie so zu verändern, dass sie der sich immer wieder verändernden Situation angeglichen wird.
Das Abrufen der richtigen Reaktion (das Abwehren eines Angriffs) und das Unterdrücken falscher Reaktionen (z.B. das Blinzeln als Handballtorwart bei einem Wurf) gehört zu den kognitiven und taktischen Fähigkeiten. Zusammen mit der Richtigkeit der Auswahl der Aktionen gehört das auf eine höhere Ebene des Sportes.
Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer werden immer gleichzeitig beansprucht. Ihre Mischformen werden dann z.B. Kraftausdauer, Schnelligkeitsausdauer, Schnellkraft oder Schnellkraftausdauer genannt. Aber natürlich sollten zur Leistungsprofilanalyse auch diese drei Komponenten in einen Zusammenhang gebracht werden und analysiert werden.
Kraft:
An dieser Kurve ist einzig allein der Faktor Kmax Kraft in Reinform. Alles andere sind bereits Mischformen. Kraft in Reinform überschneidet sich mit dem Begriff der herkömmlichen Betrachtungsweise „Maximalkraft“, dass sie unter Vorbehalt gleichgesetzt werden zu können.
Kraft ist der Physik F=m*A, also liegt der Umstand nahe, dass Kraft immer im Verbindung mit Beschleunigung und damit automatisch mit Geschwindigkeit in Zusammenhang gebracht wird.
In der Praxis durch die Existenz von statischer Maximalkraft (Maximale Kraftleistung gegen einen unbeweglichen Widerstand) und exzentrischer Maximalkraft (Maximale Kraftleistung gegen einen Widerstand, der den Muskel zu einer exzentrischen Beweglichen zwingt) zeigt sich, dass Kraft in Wirklichkeit nur eines ist: Die Fähigkeit des Muskel-Nerv-Systems Spannung zu erzeugen.
Noch mal für alle: Spannung=Kraft!!!
Also innerhalb der funktionellen Betrachtung bedeutet Kraft die Höhe des Widerstandes, gegen den die Funktion ausgeübt werden kann.
Schnelligkeit
Die benötigte Dauer für eine Funktion ist das Maß für die Schnelligkeit. Je kürzer der Zeitbedarf, desto größer die Schnelligkeit.
Ausdauer
Dieser Begriff als Ermüdungswiderstand zu bezeichnen, war bereits treffend genug für unsere Zwecke. Ihr Maß ist die Anzahl der ausgeführten Funktionen oder Teilfunktionen pro Zeitstruktur oder die maximale Zeit, in welcher Funktionen oder Teilfunktionen am ohne Unterbrechung oder Pause durchgeführt werden können oder die maximale Anzahl von Funktionen und Teilfunktionen, die ohne Pause durchgeführt werden können.
Hier sieht man bereits, dass der Begriff Ausdauer durch drei nebeneinander stehende Definitionen eingegrenzt werden muss. Dass das natürlich nicht sein kann, weil es die Analyse erschwert, liegt auf der Hand. Später werden wir mit präziseren Begriffen, aber es ist wichtig, dass wir mit den traditionellen Begriffen und ihrer Splittung vertraut sind, damit wir einiges daraus wiedererkennen und gegebenenfalls benutzen können.
Die Ausübung einer Funktion unterliegt bestimmten Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Eigenschaften. Alles was darüber hinaus geht, ist eine Verbesserung der Fähigkeiten diese Funktion auszuüben.
Spezifische Arbeitskapazität
Dies ist ein neuer Begriff der funktionellen Betrachtung des leistenden Körpers. Er bezeichnet das Maß für die Energie, welche bei festgelegtem Pool von Funktionen und einer Festlegung der beiden dimensionalen Faktoren (Raum oder Zeit) umgesetzt werden kann.
Ein wichtiger Begriff, welcher in vielen Bereichen den klassischen Ausdauerbegriff ersetzt. Ein 400m Sprinter hat eine immense Laktattoleranz und Kurzzeitausdauer, aber er wird sie in einem Boxkampf nicht voll ausnutzen können, da die azyklische und intervallartige Belastung des Boxens eine andere spezifische Arbeitskapazität erfordert. Genauso wird ein 3000m-Läufer nicht auf einer 400m-Strecke seine volle Leistungsfähigkeit entfalten können. Je ähnlicher die spezifische Arbeitskapazität den Anforderungen des Sportes ist, desto effektiver wird der Sportler seine Fähigkeiten umsetzen können. Der wichtige Unterschied zwischen spezifischer Arbeitskapazität und spezieller Ausdauer ist, dass bei Ersterem der Funktionspool miteinbezogen ist. Auch wenn sich die Belastungsarten ähneln, führt Nichtpraxis der zu verwendenden Funktionen zu einer großen Leistungsminderung.
Daher ist es für das funktionelle Training wichtig, den Funktionspool in das Training der Ausdauer zu integrieren um die Verschwendung von Energie zu minimieren.
4.Der größere Rahmen (der Sport)
Der größere Rahmen ist selbstverständlich die sportliche Betätigung, welche an der Spitze des Hierarchiebaums steht. Innerhalb einer Sportart sind bestimmte Ziele definiert und diese in einen bestimmten Zusammenhang mit Zeit und Raum gebracht:
Zeitbezogene Zusammenhänge:
Eine bestimmte Aufgabe so schnell wie möglich erfüllen. (z.B.Streckenläufe)
Innerhalb einer bestimmten Zeit so viel wie möglich der Aufgabe erfüllen (Feste Zeitvorgaben von Mannschaftsspielen)
Raumbezogene Zusammenhänge:
Einen bestimmten Raum zu überbrücken mit dem eigenen Körper oder Gegenständen (Eigener Körper: Hochsprung, Streckenlauf; Gegenstand: Diskuswurf)
Raumbeschränkungen (Grenzen des Fußballfeldes; Übertrittslinie beim Hammerwurf)
Die zu erfüllenden Aufgaben sind sehr vielfältig. Manchmal ist die Aufgabe gleich einer einzigen Funktion (z.B. Speerwurf) oder die Handlungsfreiheit so immens, dass die Zahl möglicher Funktionen unüberschaubar wird (Free Fight). Daher wird hier nicht im speziellen darauf eingegangen.
5.Gestaltung eines Trainings
Zunächst ist unbedingt ein Belastungsprofil der betreffenden Sportart zu Rate zu ziehen. Funktionell zu trainieren heißt das Effektive zu behalten und das Ineffektive zu entfernen. Durch schwammige Begriffe wird es erschwert genau das zu trainieren, was man braucht. Ein Beispiel aus dem Boxen ist die langjährige Usus des morgendlichen Lauftrainings, welches sich als Dauerlauf über zehn oder mehr Kilometer gestaltete. Natürlich steigert dies die Ausdauer, aber wann kommt es im Kampf vor, dass lange periodische Bewegungen mit niedriger Ausbelastungsintensität vorkommen? NIEMALS!!! Warum dann auf diese Weise trainieren und dem Irrtum unterliegen, dass Ausdauer gleich Ausdauer ist? Ziel dieses Schreibens ist es, dass der Leser als ambitionierter Amateur die Gelegenheit kriegt, auch ohne professionelle Trainingshilfe, das eigene Training den Anforderungen des Sportes anzupassen.
Also: Trainiere das, was du brauchst. Willst du Boxen können, dann boxe. Machst du einen Sport, welcher anaerobe Leistung abverlangt, übe in deinem Training anaerobe Arbeit zu leisten. Machst du einen Sport in dem die Kraftausdaueranforderungen niedrig sind, dann erbringe sie in deinem Training nur bedingt.
Trainiere vollständig und teilweise. Damit ist gemeint, dass man den Sport an die erste Stelle setzen sollte. Als nächstes kommen die Funktionen. Danach die Teilfunktionen. Wenn eine Zeit x vorgegeben ist, dann gehe in eine leichte Überdistanz (Amateurboxkampf=4*2minArbeit+3*1minPause; Überdistanzbeispiel: Sandsackarbeit 5Runden lang), zersplitte sie in Teilzeiten (Eine Runde=2min; 1min-Drills ein Splitter) um höhere Belastungen zu trainieren, usw. Aber alles orientiert sich IMMER an den Raum- und Zeitzusammenhängen und den Aufgaben und den erlaubten Funktionen des Sportes.
Trainiere so abwechslungsreich wie möglich. Als Boxer muss ich schlagen, was aber gleichzeitig eine Druckbewegung nach vorne ist. Also wäre der Versuch das Gewicht im Bankdrücken zu steigern ein Versuch die Höhe des überwindbaren Widerstandes bei einer nach vorwärts gerichteten Druckbewegung zu erhöhen. Ein Boxstoß ist beinhaltet immer eine Drehbewegung des Körpers um die Längsachse. Der Fullkontaktwist wäre hier eine Möglichkeit diese zu trainieren.
Trainiere abwechslungsreich! Der Körper darf sich unter keinen Umständen an eine Belastung gewöhnen. Er sollte ständig gefordert werden sich erneut anpassen zu müssen. Das wird durch die Übungsvielfalt und Reizerhöhung erreicht. So schafft man ein Milieu, welches den Körper zu ständiger Anpassung und Leistungssteigerung zwingt.
Am Beispiel Amateurboxen, vollständiges und teilweises Training:
Aufgabe: Den Gegner bezwingen durch Punktüberlegenheit oder den Gegner kampfunfähig/kampfunwillig zu machen.
Räumliche Zusammenhänge: Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raumes durch elastische Ringseile
Zeitliche Zusammenhänge: 4 Zeitintervalle á 2min mit einminütiger Unterbrechung
Funktionen (Ich beschränke mich auf die Angriffe um den Rahmen nicht zu sprengen):
Gerade Linke
Gerade Rechte
Haken Links
Haken Rechts
Aufwärtshaken Links
Aufwärtshaken Rechts
Teilfunktionen Rechte Gerade:
Beinstreckung + Beinbeugung
Hüftstreckung + Hüftbeugung
Körperrotation + Gegenrotation
Armstreckung + Armbeugung
Transverse Schulterstreckung + Transverse Schulterbeugung
Abduktion der Schulter + Adduktion der Schulter
Die Übungsauswahl ist direkt an den Teilfunktionen orientiert. Je mehr Teilfunktionen mit einer Übung abgedeckt werden können, desto geeigneter ist sie:
Bankdrücken = Transverse Schulterstreckung + Armstreckung
Kugelstoß = Beinstreckung + Hüftstreckung + Körperrotation + Armstreckung + Transverse Schulterstreckung + Abduktion der Schulter
Einarmiger Liegstütz = Abduktion der Schulter + Hüftstreckung (statische Haltearbeit) + Körperrotation (statische Haltearbeit) Armstreckung Transverse Schulterstreckung
Thruster = Beinstreckung + Hüftstreckung + Armstreckung + Abduktion der Schulter
Rudern (vergebeugt)= Hüftbeugung (statische Haltearbeit) + Armbeugung (dynamische Stablisierung) + Transverse Schulterbeugung
Einarmiges Rudern (stehend am Kabelzug) = Beinbeugung + Hüftbeugung + Gegenrotation Armbeugung + Transverse Schulterbeugung + Adduktion der Schulter
Klimmzug = Armbeugung + Transverse Schulterbeugung + Adduktion der Schulter
Ein Boxstoß ist von der zeitlichen Ausdehnung her unheimlich kurz, also ist es wichtig, dass das Training, also die Übung so ausgeführt werden, dass der Kraftausstoß trotz der wenigen Zeit, die für einen Schlag verfügbar ist, maximiert wird. Wie an der obigen Grafik zu erkennen, bedeutet das explosive Ausführung mit einem Gewicht, dass die Schnelligkeit der Ausführung nicht erheblich verlangsamt. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit des maximalen Impulses. Also ein Gewicht wählen, dass die Ausführung zwar verlangsamt, aber bei welchem der maximale Impuls möglich ist. Die Kraft ist hier die Basis. Sie darf natürlich nicht leistungseinschränkend gering sein, aber die Maximierung des Impulses und die Vergrößerung der Funktionsschnelligkeit sollten im Mittelpunkt stehen.
Ausdauertraining:
Boxen ist ein intensiver Sport, also muss auch die Ausdauer intensiv trainiert werden. Vorzugsweise im Intervallcharakter, da durch das Rundensystem und durch die azyklische Art der Belastung ein ständiger, schneller Wechsel von Ruhe und Belastung entsteht. Diese Form der Belastung sollte imitiert werden.
Mögliche Ausdauerprogramme:
Es folgt den wichtigem Prinzip der Vollständigkeit und der Teilweise. Belastungsperioden werden als ganzes trainiert (600m; Minutedrills) und separiert um mehr Schwerpunkt auf einzelne Bereiche zu legen (400m; Tabata)
600m Läufe mit einminütiger Pause zwischen ihnen. 600m werden als Entsprechung einer Amateurboxrunde gehandelt.
400m Läufe mit einminütiger Pause zwischen ihnen.
200m Sprints mit 200m Jogging als Pause.
Minute-Drills. Sie imitieren die azyklische und intervallartige Arbeitsweise eines Boxers.
(z.B. Zwei Minuten lang folgenden Zirkel abarbeiten: 20s Burpees, 20s Hampelmänner, 20s Skippings auf er Stelle)
Das Tabataprotokoll. Sehr intensiv und effektiv und trainiert die Ausdauer in aerober und anaerober Hinsicht.
Usw.
Sinn dieses Textes ist es nicht eine kompletten Plan für einen Amateurboxer geben, sondern er soll ein beispielhaft ein Analyseverfahren offen legen, welches jedem ermöglichen sollte sein Training so funktionell wie möglich zu gestalten. Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:
Was sind die Funktionen, die dich trainieren muss?
Welche der Eigenschaften (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination) sind in welchem Maße limitierend für meine Leistung?
Wie separiere ich (siehe Ausdauertraining)?
by Wursti
(Die Beispiele sind meist dem Boxen entlehnt, da ich mich am intensivsten mit diesem Sport auseinander gesetzt habe. Die Prinzipien sind aber auf jeden leistungsorientierten Sport anwendbar)
1.Beleuchtung der herkömmlichen Unterteilung der Kondition eines Körpers
Kraft als Fähigkeit eine Masse zu beschleunigen unterteilt in:
-Maximalkraft
-Schnellkraft
-Kraftausdauer
-Reaktivkraft
Schnelligkeit als Fähigkeit eine Bewegung auch gegen einen Widerstand mit höchst möglicher Geschwindigkeit auszuführen unterteilt in:
-azyklische (einzelne Aktionen) und zyklisch (immer wiederkehrende Aktionen, wie beim Sprinten)
Ausdauer als Fähigkeit Widerstand gegen Ermüdung unterteilt in:
-Kurzzeitausdauer
-Mittelzeitausdauer
-Langzeitausdauer
Beweglichkeit als Fähigkeit den strukturell (durch die Anatomie der Gelenke) beschränkten Bewegungsraum der Gelenke auszunutzen
Koordination als Fähigkeit Aktive und reaktive Bewegungen zu ordnen.
2.Kritik:
-Eine konditionelle Komponente wird niemals isoliert beansprucht und daher ist es sinnlos sie ohne Zusammenhang zu betrachten.
-Überschneidungen (z.B. Kraftausdauer und Ausdauer; Schnellkraft und Schnelligkeit)
-Koordination befindet sich nicht auf gleicher Definitionsebene wie die restlichen konditionellen Komponenten, wird aber beigefügt.
-Beweglichkeit befindet sich so wie Koordination nicht auf gleicher Definitionsebene
-In der Praxis ist sogar Mittelzeitausdauer nicht Mittelzeitausdauer. Ein guter Schwimmer ist nicht gleichzeitig ein guter Läufer, obwohl er über eine gute Ausdauer hat.
3.Verknüpfung der Eigenschaften (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination)
Die Kondition bezieht sich immer auf Erfüllung einer Funktion und Teilfunktionen, also setze ich die Funktion als Zentrum bzw. Basis ein. Alles andere sind Größen, welche die Erfüllung der Funktion beschränken (Man kann nicht schneller Laufen, weil z.B. die Schnellkraft nicht groß genug ist, oder die zyklische Schnelligkeitsausdauer zu gering ist)oder verhindern (Man kann kein Spagat machen, weil die Dehntoleranz der Muskeln zu gering sind)
Definition von Funktion: Die Gesamtheit von Teilfunktionen im Zusammenhang, welche zu einem bestimmten Ziel führen sollen.
Definition von Teilfunktion: Eine Tätigkeit, die Teil der Funktion ist, aber auch eine getrennte motorische oder perzeptive Komponente sein kann.
Grundsatz: Jede Funktion kann in Teilfunktionen gegliedert werden. Jede Funktion stellt einen für sich abgeschlossenen Bewegungsvorgang dar, sie kann aber auch in Reihe mit anderen Funktionen gestellt werden. (z.B. Ein Schlag beim Boxen als Funktion und die Aneinanderreihung als Kombination )
Koordination ist nunmehr die Fähigkeit eine Funktion abrufen zu können und sie so zu verändern, dass sie der sich immer wieder verändernden Situation angeglichen wird.
Das Abrufen der richtigen Reaktion (das Abwehren eines Angriffs) und das Unterdrücken falscher Reaktionen (z.B. das Blinzeln als Handballtorwart bei einem Wurf) gehört zu den kognitiven und taktischen Fähigkeiten. Zusammen mit der Richtigkeit der Auswahl der Aktionen gehört das auf eine höhere Ebene des Sportes.
Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer werden immer gleichzeitig beansprucht. Ihre Mischformen werden dann z.B. Kraftausdauer, Schnelligkeitsausdauer, Schnellkraft oder Schnellkraftausdauer genannt. Aber natürlich sollten zur Leistungsprofilanalyse auch diese drei Komponenten in einen Zusammenhang gebracht werden und analysiert werden.
Kraft:
![explo.jpg](/proxy.php?image=http%3A%2F%2Fpeople.freenet.de%2Fmuscle-corps%2FForumstruktur%2Fexplo.jpg&hash=a265c6776173a3218ab3651cdae54376)
An dieser Kurve ist einzig allein der Faktor Kmax Kraft in Reinform. Alles andere sind bereits Mischformen. Kraft in Reinform überschneidet sich mit dem Begriff der herkömmlichen Betrachtungsweise „Maximalkraft“, dass sie unter Vorbehalt gleichgesetzt werden zu können.
Kraft ist der Physik F=m*A, also liegt der Umstand nahe, dass Kraft immer im Verbindung mit Beschleunigung und damit automatisch mit Geschwindigkeit in Zusammenhang gebracht wird.
In der Praxis durch die Existenz von statischer Maximalkraft (Maximale Kraftleistung gegen einen unbeweglichen Widerstand) und exzentrischer Maximalkraft (Maximale Kraftleistung gegen einen Widerstand, der den Muskel zu einer exzentrischen Beweglichen zwingt) zeigt sich, dass Kraft in Wirklichkeit nur eines ist: Die Fähigkeit des Muskel-Nerv-Systems Spannung zu erzeugen.
Noch mal für alle: Spannung=Kraft!!!
Also innerhalb der funktionellen Betrachtung bedeutet Kraft die Höhe des Widerstandes, gegen den die Funktion ausgeübt werden kann.
Schnelligkeit
Die benötigte Dauer für eine Funktion ist das Maß für die Schnelligkeit. Je kürzer der Zeitbedarf, desto größer die Schnelligkeit.
Ausdauer
Dieser Begriff als Ermüdungswiderstand zu bezeichnen, war bereits treffend genug für unsere Zwecke. Ihr Maß ist die Anzahl der ausgeführten Funktionen oder Teilfunktionen pro Zeitstruktur oder die maximale Zeit, in welcher Funktionen oder Teilfunktionen am ohne Unterbrechung oder Pause durchgeführt werden können oder die maximale Anzahl von Funktionen und Teilfunktionen, die ohne Pause durchgeführt werden können.
Hier sieht man bereits, dass der Begriff Ausdauer durch drei nebeneinander stehende Definitionen eingegrenzt werden muss. Dass das natürlich nicht sein kann, weil es die Analyse erschwert, liegt auf der Hand. Später werden wir mit präziseren Begriffen, aber es ist wichtig, dass wir mit den traditionellen Begriffen und ihrer Splittung vertraut sind, damit wir einiges daraus wiedererkennen und gegebenenfalls benutzen können.
Die Ausübung einer Funktion unterliegt bestimmten Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Eigenschaften. Alles was darüber hinaus geht, ist eine Verbesserung der Fähigkeiten diese Funktion auszuüben.
Spezifische Arbeitskapazität
Dies ist ein neuer Begriff der funktionellen Betrachtung des leistenden Körpers. Er bezeichnet das Maß für die Energie, welche bei festgelegtem Pool von Funktionen und einer Festlegung der beiden dimensionalen Faktoren (Raum oder Zeit) umgesetzt werden kann.
Ein wichtiger Begriff, welcher in vielen Bereichen den klassischen Ausdauerbegriff ersetzt. Ein 400m Sprinter hat eine immense Laktattoleranz und Kurzzeitausdauer, aber er wird sie in einem Boxkampf nicht voll ausnutzen können, da die azyklische und intervallartige Belastung des Boxens eine andere spezifische Arbeitskapazität erfordert. Genauso wird ein 3000m-Läufer nicht auf einer 400m-Strecke seine volle Leistungsfähigkeit entfalten können. Je ähnlicher die spezifische Arbeitskapazität den Anforderungen des Sportes ist, desto effektiver wird der Sportler seine Fähigkeiten umsetzen können. Der wichtige Unterschied zwischen spezifischer Arbeitskapazität und spezieller Ausdauer ist, dass bei Ersterem der Funktionspool miteinbezogen ist. Auch wenn sich die Belastungsarten ähneln, führt Nichtpraxis der zu verwendenden Funktionen zu einer großen Leistungsminderung.
Daher ist es für das funktionelle Training wichtig, den Funktionspool in das Training der Ausdauer zu integrieren um die Verschwendung von Energie zu minimieren.
4.Der größere Rahmen (der Sport)
Der größere Rahmen ist selbstverständlich die sportliche Betätigung, welche an der Spitze des Hierarchiebaums steht. Innerhalb einer Sportart sind bestimmte Ziele definiert und diese in einen bestimmten Zusammenhang mit Zeit und Raum gebracht:
Zeitbezogene Zusammenhänge:
Eine bestimmte Aufgabe so schnell wie möglich erfüllen. (z.B.Streckenläufe)
Innerhalb einer bestimmten Zeit so viel wie möglich der Aufgabe erfüllen (Feste Zeitvorgaben von Mannschaftsspielen)
Raumbezogene Zusammenhänge:
Einen bestimmten Raum zu überbrücken mit dem eigenen Körper oder Gegenständen (Eigener Körper: Hochsprung, Streckenlauf; Gegenstand: Diskuswurf)
Raumbeschränkungen (Grenzen des Fußballfeldes; Übertrittslinie beim Hammerwurf)
Die zu erfüllenden Aufgaben sind sehr vielfältig. Manchmal ist die Aufgabe gleich einer einzigen Funktion (z.B. Speerwurf) oder die Handlungsfreiheit so immens, dass die Zahl möglicher Funktionen unüberschaubar wird (Free Fight). Daher wird hier nicht im speziellen darauf eingegangen.
5.Gestaltung eines Trainings
Zunächst ist unbedingt ein Belastungsprofil der betreffenden Sportart zu Rate zu ziehen. Funktionell zu trainieren heißt das Effektive zu behalten und das Ineffektive zu entfernen. Durch schwammige Begriffe wird es erschwert genau das zu trainieren, was man braucht. Ein Beispiel aus dem Boxen ist die langjährige Usus des morgendlichen Lauftrainings, welches sich als Dauerlauf über zehn oder mehr Kilometer gestaltete. Natürlich steigert dies die Ausdauer, aber wann kommt es im Kampf vor, dass lange periodische Bewegungen mit niedriger Ausbelastungsintensität vorkommen? NIEMALS!!! Warum dann auf diese Weise trainieren und dem Irrtum unterliegen, dass Ausdauer gleich Ausdauer ist? Ziel dieses Schreibens ist es, dass der Leser als ambitionierter Amateur die Gelegenheit kriegt, auch ohne professionelle Trainingshilfe, das eigene Training den Anforderungen des Sportes anzupassen.
Also: Trainiere das, was du brauchst. Willst du Boxen können, dann boxe. Machst du einen Sport, welcher anaerobe Leistung abverlangt, übe in deinem Training anaerobe Arbeit zu leisten. Machst du einen Sport in dem die Kraftausdaueranforderungen niedrig sind, dann erbringe sie in deinem Training nur bedingt.
Trainiere vollständig und teilweise. Damit ist gemeint, dass man den Sport an die erste Stelle setzen sollte. Als nächstes kommen die Funktionen. Danach die Teilfunktionen. Wenn eine Zeit x vorgegeben ist, dann gehe in eine leichte Überdistanz (Amateurboxkampf=4*2minArbeit+3*1minPause; Überdistanzbeispiel: Sandsackarbeit 5Runden lang), zersplitte sie in Teilzeiten (Eine Runde=2min; 1min-Drills ein Splitter) um höhere Belastungen zu trainieren, usw. Aber alles orientiert sich IMMER an den Raum- und Zeitzusammenhängen und den Aufgaben und den erlaubten Funktionen des Sportes.
Trainiere so abwechslungsreich wie möglich. Als Boxer muss ich schlagen, was aber gleichzeitig eine Druckbewegung nach vorne ist. Also wäre der Versuch das Gewicht im Bankdrücken zu steigern ein Versuch die Höhe des überwindbaren Widerstandes bei einer nach vorwärts gerichteten Druckbewegung zu erhöhen. Ein Boxstoß ist beinhaltet immer eine Drehbewegung des Körpers um die Längsachse. Der Fullkontaktwist wäre hier eine Möglichkeit diese zu trainieren.
Trainiere abwechslungsreich! Der Körper darf sich unter keinen Umständen an eine Belastung gewöhnen. Er sollte ständig gefordert werden sich erneut anpassen zu müssen. Das wird durch die Übungsvielfalt und Reizerhöhung erreicht. So schafft man ein Milieu, welches den Körper zu ständiger Anpassung und Leistungssteigerung zwingt.
Am Beispiel Amateurboxen, vollständiges und teilweises Training:
Aufgabe: Den Gegner bezwingen durch Punktüberlegenheit oder den Gegner kampfunfähig/kampfunwillig zu machen.
Räumliche Zusammenhänge: Beschränkung des zur Verfügung stehenden Raumes durch elastische Ringseile
Zeitliche Zusammenhänge: 4 Zeitintervalle á 2min mit einminütiger Unterbrechung
Funktionen (Ich beschränke mich auf die Angriffe um den Rahmen nicht zu sprengen):
Gerade Linke
Gerade Rechte
Haken Links
Haken Rechts
Aufwärtshaken Links
Aufwärtshaken Rechts
Teilfunktionen Rechte Gerade:
Beinstreckung + Beinbeugung
Hüftstreckung + Hüftbeugung
Körperrotation + Gegenrotation
Armstreckung + Armbeugung
Transverse Schulterstreckung + Transverse Schulterbeugung
Abduktion der Schulter + Adduktion der Schulter
Die Übungsauswahl ist direkt an den Teilfunktionen orientiert. Je mehr Teilfunktionen mit einer Übung abgedeckt werden können, desto geeigneter ist sie:
Bankdrücken = Transverse Schulterstreckung + Armstreckung
Kugelstoß = Beinstreckung + Hüftstreckung + Körperrotation + Armstreckung + Transverse Schulterstreckung + Abduktion der Schulter
Einarmiger Liegstütz = Abduktion der Schulter + Hüftstreckung (statische Haltearbeit) + Körperrotation (statische Haltearbeit) Armstreckung Transverse Schulterstreckung
Thruster = Beinstreckung + Hüftstreckung + Armstreckung + Abduktion der Schulter
Rudern (vergebeugt)= Hüftbeugung (statische Haltearbeit) + Armbeugung (dynamische Stablisierung) + Transverse Schulterbeugung
Einarmiges Rudern (stehend am Kabelzug) = Beinbeugung + Hüftbeugung + Gegenrotation Armbeugung + Transverse Schulterbeugung + Adduktion der Schulter
Klimmzug = Armbeugung + Transverse Schulterbeugung + Adduktion der Schulter
Ein Boxstoß ist von der zeitlichen Ausdehnung her unheimlich kurz, also ist es wichtig, dass das Training, also die Übung so ausgeführt werden, dass der Kraftausstoß trotz der wenigen Zeit, die für einen Schlag verfügbar ist, maximiert wird. Wie an der obigen Grafik zu erkennen, bedeutet das explosive Ausführung mit einem Gewicht, dass die Schnelligkeit der Ausführung nicht erheblich verlangsamt. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit des maximalen Impulses. Also ein Gewicht wählen, dass die Ausführung zwar verlangsamt, aber bei welchem der maximale Impuls möglich ist. Die Kraft ist hier die Basis. Sie darf natürlich nicht leistungseinschränkend gering sein, aber die Maximierung des Impulses und die Vergrößerung der Funktionsschnelligkeit sollten im Mittelpunkt stehen.
Ausdauertraining:
Boxen ist ein intensiver Sport, also muss auch die Ausdauer intensiv trainiert werden. Vorzugsweise im Intervallcharakter, da durch das Rundensystem und durch die azyklische Art der Belastung ein ständiger, schneller Wechsel von Ruhe und Belastung entsteht. Diese Form der Belastung sollte imitiert werden.
Mögliche Ausdauerprogramme:
Es folgt den wichtigem Prinzip der Vollständigkeit und der Teilweise. Belastungsperioden werden als ganzes trainiert (600m; Minutedrills) und separiert um mehr Schwerpunkt auf einzelne Bereiche zu legen (400m; Tabata)
600m Läufe mit einminütiger Pause zwischen ihnen. 600m werden als Entsprechung einer Amateurboxrunde gehandelt.
400m Läufe mit einminütiger Pause zwischen ihnen.
200m Sprints mit 200m Jogging als Pause.
Minute-Drills. Sie imitieren die azyklische und intervallartige Arbeitsweise eines Boxers.
(z.B. Zwei Minuten lang folgenden Zirkel abarbeiten: 20s Burpees, 20s Hampelmänner, 20s Skippings auf er Stelle)
Das Tabataprotokoll. Sehr intensiv und effektiv und trainiert die Ausdauer in aerober und anaerober Hinsicht.
Usw.
Sinn dieses Textes ist es nicht eine kompletten Plan für einen Amateurboxer geben, sondern er soll ein beispielhaft ein Analyseverfahren offen legen, welches jedem ermöglichen sollte sein Training so funktionell wie möglich zu gestalten. Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:
Was sind die Funktionen, die dich trainieren muss?
Welche der Eigenschaften (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination) sind in welchem Maße limitierend für meine Leistung?
Wie separiere ich (siehe Ausdauertraining)?
by Wursti