@wursti / Eisi:
Ich stimme ja in fast allem mit euch überein! Es geht wohl eher darum, dass auch jeder seine eigenen Definitionen hat. Aber ich erkläre meine Meinung gerne;
Du definierst Paleo also mitsamt allen weiteren Entwicklungen (bezogen auf Ernährung usw.) - das kenne ich bisher nicht. Paleo / steinzeiternährung war bisher immer sich wie unsere Vorfahren zu ernähren, aber wie du selber sagst, auch Sachen, die nicht "echt" Paleo sind (Kobe Rinder, aber genauso Hantelstemmen!) sind gut. Deshalb finde ich es aber völligen Blödsinn es Paleo oder Steinzeiternährung zu nennen, wenn wir nichts von dem Essen, was früher gegessen wurde.
Wir haben eine neolithische "Farmer" Diät, denn es gab kein Steinzeitmensch der Zugang zu den heutigen Nahrungsmitteln hatte, es sind alles Produkte von Agrarwirtschaft. Genau wie hausgezüchtete Hühner mit Eiern, Rinder usw.
Debunking the paleo diet: Christina Warinner at TEDxOU - YouTube
In dem TED Talk zeigt eine Archäologin auch schön, dass so gut wie nichts, was als Paleo bezeichnet wird jemals von Steinzeitmenschen konsumiert wurde.
Dazu kommt die Frage, ob es so erstrebenswert ist sich so zu ernähren, denn Steinzeitmenschen waren fern von gesund; wo stammt der Mythos her, dass sie jemals gesünder, fitter oder klüger waren als wir heute? Evidenz und Funde über Arteriosklerose beim Neanderthaler in jungen Jahren, die schlechte Lebenserwartung usw. halte ich nicht für erstrebenswert, die konnten Zivilisationskrankheiten ja gar nicht bekommen da sie davor tot waren.
Auch Eskimos sind fern von Gesundheit gewesen, aber man hat halt keine Wahl wenn man nichts hat außer Robben.
Deshalb mein Argument, paleo-Diät ist irgendwie Schwachsinnig, weil sie bei jedem anders war, nicht wirklich zwingend gesund sondern halt das was es gab und dazu heute unmöglich und fernab von allem was die Medien/Bücher empfehlen (falsche Evidenz anscheinend), da nur Agrarprodukte genannt werden, die in dieser Zeit nicht existieren. ( Wenn du Paleo als Diät die dem aktuellen menschlichen Körper dienen soll definierst, dann meinen wir das gleiche)
Ich lasse diese ganzen Zeitepochen einfach raus uns nenne meine Diät das, was sie ist:
Eine physiologische Ernährung.
Da sind wir glaube ich völlig der gleichen Meinung, denn natürlich richtet sich eine solche Ernährung an unserer Entwicklung. Evolution heißt aber nicht Stillstand, deshalb sind auch neuere Produkte der "Modernen", Milch usw. völlig in Ordnung. Die Qualität ist aber natürlich der Dreh- und Angelpunkt. Gut angebautes, oft lokales (obwohl manchmal Äpfel aus Neuseeland Co2-Neutraler und gesünder sind als die vom Bodensee, da gibt es halt viele Faktoren) unverarbeitetes, diverses Essen. Das ist für mich nicht Paleo - sonder besser. Wir haben wie oben auch im Talk gezeigt so viele Sachen wie Tomaten, Mandeln, Broccoli, Salate von schädlichen Substanzen freigezüchtet und vitaminreiche, gesudne Lebensmittel erschaffen und könne uns besser ernähren als jeder Steinzeitmensch. Willkommen in der Modernen! Wenn man halt Toast, Pop Tarts und Cola konsumiert - dumm gelaufen.
Der Lebensstil ist dabei natürlich untrennbar mit Aktivität usw. verbunden, da der Körper diesen Anforderungen ja geschaffen wurde. Ohne werden halt völlig unnatürliche Lebensmittel mit noch nie vorher dagewesener Nährstoffzusammensetzung und vielen Carbs schnell zu allem was schlecht ist.
Wie gesagt, wir meinen das gleiche, ich denke nur es hat nichts mit Paleo zu tun, sondern dass wir heute weiter und besser sind und nicht nach auf falschen Daten und Trends basierenden Steinzeitquatsch machen müssen. (Auch massenhafter Fleischkonsum hält sich hartnäckig als gesund - verstehe ich nicht. Der Mensch hat früher sein teil mageres Wild gehabt, nie war man dafür geschaffen Mengen an domestizierten fettreichen, ungesunden Rindern/Schweinen usw. zu verzehren so wie es sich mir präsentiert)
@eisi: und zu Nährstoffmakros
Ketogene Diäten sind effektiv für Dicke und Zeitknappheit; bei ersten kann man eine etwaige Insulinresistenz durchbrechen, bei zweiteren nimmt man in Kauf mit Ketogen schnell aber schlecht abzunehmen.
Kohlenhydrate sind Muskelschützender als Protein (da die bei jedem mit guter Ernährung ausreichend vorhanden sind und kein weiterer Stimulus der PS-Synthes ab 2x Plasmaspeigel der Aminosäuren stattfindet) und Insulin ist das anabolste Hormon im Körper. Warum darauf verzichten?? Im wirklichen Ketogenen Stoffwechsel bist du im Hungerstoffwechsel, d.h. Notzustand und nicht wünschenswert. Es müssen zwangsläufig Aminosäuren aus dem Blutpool zur Energiegewinnung bei Belastung hergenommen werden, da Fett bekanntlich zu lange braucht. Wenn dein Amino-Pool nun sinkt kann der Körper die Muskeln einfach nicht so halten, wie wenn er Carbs bekommt. Das fehlende Insulin ist das nächste Problem (aber ich gebe dir recht - bei Übergewichtigen ein Segen) beim Athlet, der Muskeln behalten will.
Dazu noch das verminderte Zellvolumen durch Keton-Stoffwechsel und schlechter AMPK/m-Tor Kaskaden bei zu vielen Säureäquivalenten durch Ketone.
Dann noch Langzeit-Beobachtungen, in denen Ketogene DIäten kein kg mehr brachten als andere Diätformen - bei erhöhten kardiovaskulären Entzündungsparametern (wohl, da sauber ketogen sehr schwer ist, erhöhte freie FS usw.).
Wenn du jetzt Refeeds einlegst, mindestens alle 3-5 Tage als dünner Athlet bist du ja eh nicht ketogen - so schnell schaltet dein Stoffwechsel ja nicht um. Also machst du dann ehrlicherweise eigentlich eine art "Fasting", was auch sinnvoll ist. Aber warum nicht die Vorteile von Kohlenhydraten jeden Tag nutzen?
Layne Norton z.B., der sein PhD über Proteinstoffwechsel macht (finde ich relativ wissenschaftlich fundiert) rät auch jedem von Keto/Low-Carb ab - es hat einfach kein Vorteil.
Wo du beim normalmensch den gesundheitlichen Vorteil siehst verstehe ich nicht - bei nachgewiesenen Nachteilen. (wir reden nicht von schwer Übergewichtigen!)
Mein Fazit: Ein physiologische Ernährung (wofür der Name vlt. noch fehlt, aber das verkauft sich halt nicht da langweilig) hat in meiner Auffassung nichts mit der Steinzeiternährung gemein (und muss sie auch nicht) und muss auch nicht extrem Kohlenhydratbeschränkt sein (trotzdem sicher weniger als offiziell empfohlen wird) und richtet sich natürlich an unserem über Jahrmillionen entstandenen Körper. Wer das dann Paleo nennt - auch gut.
Kleines PS: Wenn ich nach dem von dir zitierten Dr. Cordain gehe (
The Paleo Diet: What to Eat) ernähre ich mich auch "Paleo"; wie aber gesagt, der Ernährungsplan unten enthält bis auf "lean beef" kaum ein Lebensmittel der steinzeit. Aber ich verstehe schon, dass du und einige Paleo also einfach als die Diät sehen, an die der Körper am besten angepasst ist. Ich werde es trotzdem nie so nennen, da die Diversität die schon heute besteht durch Gendrift/Mutation/Anpassung usw. außer Acht gelassen wird. Nicht jede Population wird die gleichen Ernährungsgrundlagen haben, da die Evolution nicht stillsteht.