AW: Spekulation mit Nahrungsmittel, wie wirkt sie sich aus?
Ich glaube, du hast da ein paar Dinge grundlegend falsch verstanden. Es spricht niemand von Enteignung, sondern von einer Verteilung unter gerechteren Gesichtspunkten. Dass die Kapitalverteilung (und hier greife ich wieder auf Bourdieu's Kapitalien des Ökonomischen, Sozialen und Kulturellen Kapitals zurück, die heutzutage Hand in Hand gehen) ungerecht ist, ist eine Tatsache. Enteignet wird niemand. Es wird lediglich ein sanfter Druck zur Verteilung der Güter ausgeübt, so wie derzeit ein starker Druck zur Akkumulation von Gütern ausgeübt wird. Das wiederum führt über den Wettbewerb zur Unterdrückung der Schwächeren und so weiter und so fort. Im Endeffekt ist es also eine Frage dessen, ob wir uns den Schwächeren (in welcher Hinsicht auch immer man dies definieren mag) annehmen, oder sie krepieren lassen. Letzten Endes ist es eine Prinzipfrage, und zwar eine, die, wie ich meine, die Menschheit als Zivilisation bewertet.
Das läuft im Endeffekt auf Enteignung und Öko Diktatur hinaus und wird überragende Leistungen, von denen wir alle profitieren, weitgehend behindern oder sogar unmöglich machen.
Die überragenden Leistungen von denen du hier sprichst, welche sind denn das? Welche meinst du?
Mal ganz davon abgesehen daß ich nicht glaube daß sich eine "allgemeine, demokratische Macht" die sich altruistisch dem Gemeinwohl widmet finden lässt
Da magst du wohl recht haben. Die Menschheit ist noch nicht bereit dazu. Aber das heißt nicht, dass man sie nicht "erziehen" kann. Es ist wohl hier eine Glaubensfrage: Glaubst du an das Gute im Menschen, oder an das Schlechte? Glaubst du, dass man das Gute aus jedem Menschen hervorlocken kann?
So wie derzeit die ganze Welt auf Wettbewerb und Konkurrenz getrimmt wird, so spricht nichts dagegen, die ganze Welt auf Kooperation und Unterstützung zu trimmen. "Damit du hast, gib allen alles"; hier kommen wir gleich mal zu irgendwelchem New Age Crap... ich seh schon, warum man hier Ressentiments hegen kann. Da ists ja auch nur mehr ein Steinwurf zur Esoterik, nicht wahr?
Aber lass uns doch mal diese enge Brille des Vorurteils abnehmen, genauso wie wir auch bitte die Brille der engen, kapitalökonomischen Sichtweise ablegen, die uns nichts weiter erkennen lässt außer der Wirtschaft. Doch ist die Wirtschaft nur ein Teil der Gesamtgleichung.
Stell dir vor, du gibst allen alles und stell dir vor,
alle geben dir alles. Wo ist das Problem? Wenn sich jeder an dieser Ideologie orientieren würde, dann würde es genauso funktionieren. Nur zeigen die Ströme dann nicht zum Individuum (und enden dort!), sondern sie fließen nach außen (und gehen immer weiter). Damit wären wir wieder bei der Systemtheorie. (und lösen nebenbei das Problem der Gier)
Das Ganze ist natürlich überspitzt formuliert, zeigt aber so am Besten die prinzipiellen Funktionsweisen beider Herangehensweisen.
fühle ich mich sehr unwohl bei dem Gedanken daß meine persönliche Freiheit plötzlich von anderen definiert wird als von mir selbst.
Hier hast du etwas wirklich grundlegend falsch verstanden: Deine persönliche Freiheit wird nicht im geringsten angegriffen. Ganz im Gegenteil: Du hast die alleinige Verfügungsgewalt über deine Güter, deine Gedanken, dein Kapital, deine Freiheit. Niemand zwingt dich, irgendetwas herzugeben, was du nicht willst (im Gegensatz zur derzeitigen Situation). Das Konzept des Teilens basiert jedoch auf Kooperation; in dem Moment, wo du dich aus dieser Kooperation ausnimmst, wird dein Erfolg (gesellschaftlich wie wirtschaftlich) schwinden. Natürlich kannst du weiterhin deinen Weg gehen und du wirst mit Sicherheit eine Menge Leute finden, die sich diesem deinem Gedanken anschließen bzw. ihn ebenfalls so denken. Der Clou an der Sache ist, dass ihr euren eigenen Mikrokosmos haben könnt, während die "anderen" ebenfalls ihren Mikrokosmos haben können. Etwas, das heute nicht möglich ist.
Zwangsenteignung ist natürlich ein heißer Begriff. Ich persönlich sehe ihn als nicht notwendig. Über kurz oder lang würde sich beim Modell der Gemeinwohlökonomie ohnehin jegliches übermäßig angehäuftes Kapital systemimmanent auf die Allgemeinheit verteilen. Eine Zwangsenteignung wäre ein "Kickstart" für das Modell, ist aber in Anbetracht der Spannungen, die alleine das Wort hervorruft, keine realistische Möglichkeit.
Vor allem gilt es, die Frage zu stellen, ob du deine Freiheiten derzeit wirklich selber definierst? Ich weiß, meine Freiheiten kann ich derzeit nicht definieren. Wenn du deine Freiheiten derzeit selber definieren und ausleben kannst, bist du in einer wahrlich privilegierten Position. Ich hätte das auch gfern.
Mich interessiert nun wirklich brennend, wie Du in einer Gemeinwohlökonomie oder, allgemeiner gesprochen, in einer altruistisch geprägten Gesellschaft Freiheiten verlierst oder diese von anderen definiert siehst. Bitte, erklärs mir.
Ich bin eher dafür daß man versucht die Menschen aufzuklären und sie dann die Verantwortung für ihr Leben übernehmen lässt, stattdessen willst Du einen Überpapa der zeigt wos lang geht und Gleichmacherei unter dem Deckmantel des Allgemeinwohls etablieren.
Nein, das will ich nicht. Langfristig will ich, dass jeder die Verantwortung für sein Leben übernimmt. Darum sag ich, dass die Gemeinwohlökonomie nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wenn du wirklich wissen willst, wie ich mir das Leben ohne den "Überpapa" (das ist übrigens eine interessante Wortwahl deinerseits, vielleicht sollten wir uns mal über Freud unterhalten
) vorstelle, dann landen wir viel weiter weg, als bei den "Utopien", zu denen ich die Menschen "nicht mehr mitnehmen kann", wie du vorhin geschrieben hast.
Den Überpapa gibt's doch außerdem derzeit! Den gibt's seit Menschengedanken! Er manifestiert sich in allen theistischen Religionen, er steckt im mütterlich versorgenden Wirtschaftssystem, er findet sich in der Bürokratie, er hat im täglichen Leben Einzug gehalten ("irgendwer wird's schon richten", eine Ideologie, die übrigens in AT sehr stark ist), er ist eine Geschäftspraktik (Arbeit delegieren und nicht selber machen), er äußert sich in der Ab- bzw. Weitergabe von Verantwortung und jede Schuldzuweisung ist ein Abstreiten der persönlichen Verantwortung und daher ein Klammern an einen "Überpapa", bei dem man sich ausweinen kann, der einem die Schuld von der Seele nimmt (wobei sich der Kreis gefährlich zur Religion zu schließen scheint) und der einem damit einen Sonderstatus in der Gesellschaft zugesteht, anstatt sich als Gleicher unter Gleichen zu sehen.
Die Sache mit dem Menschen Aufklären ist außerdem so eine Sache. Die Leute wollen es nämlich nicht hören. Die verstehen das nicht. Wie denn auch? Sie kennen ja nichts anderes. Man kann ihnen mit rationalen Argumenten kommen, man kann die Diskussion emotional, sachlich oder spirituell führen. Ja man kann sogar versuchen, ihnen die Fehler des Systems selbst zu erklären, aber sie wollen es nicht sehen, weil damit Welten zusammenbrechen. Und das war für Menschen schon immer schwer verdaubar.
Du glaubst mir nicht? Dann sieh uns beide an: Du scheinst hier im Forum der einzige pro-Kapitalist zu sein. Seit Wochen eiern wir beide um das selbe Thema, und ich liefere dir Argumente ohne Ende, die du nicht zu entkräften scheinst, während ich dir einen logischen Fehler nach dem anderen im aktuellen System aufzeige.
Entweder, man ist bereit, den
ganzen Denkweg aus der Misere zu gehen (und das heißt, das kann ich dir jetzt schon sagen, in letzter Konsequenz die Aufgabe eines gesicherten, beständigen Weltbildes und alles-beantwortenden und/oder versorgenden Systems bis in alle Zukunft (Überpapa!). Es heißt, den ständigen Wandel zu akzeptieren und damit auch das einzig dir und der Welt Bekannte in Frage zu stellen), oder man lässt es ganz bleiben.
Weitergedacht: Beobachte einmal die Menschen. Es scheint eine richtiggehende NOTWENDIGKEIT des Widerspruchs zu herrschen. Jeder zweite Satz scheint mit "aber" zu beginnen, zu jeder Meinung gibt es automatisch eine Gegenmeinung... "was für ein schönes Wetter heute" - "naja, is aber schon ein bisschen kühl, nicht?"
Der Wettbewerb, die Konkurrenz ist so tief in die Menschen hineingekrochen, dass es unglaublicher Anstrengung bedarf, sie überhaupt als solche zu sehen. Politik und Wirtschaft sind AUFGEBAUT auf diesen Prinzipien (siehe Wasserthread Konsens vs. Kompromiss) und seit ich mich mit Psychologie und Soziologie beschäftigt, tut sich ein ganz neues Bewusstsein auf... der ganze Hippie-Scheiss aus den 60ern steht nämlich mittlerweile auf soliden, wissenschaftlichen Beinen. Aber bring soziologische Grundkenntnisse einmal der geistig dank RTL, Bild und Konsorten regelrecht verwesenden Masse bei.
Und ja es gibt auch überall Fehlentwicklungen, das ist menschlich und nur da muss man auch tatsächlich eingreifen.
Stell dir vor, (stells dir nur einmal vor!) der gesamte neoliberale Kapitalismus, und alles was derzeit dranhängt, sei eine Fehlentwicklung. Und dann überlege unter diesem Gesichtspunkt die Konsequenzen und Errungenschaften, die von einem "besseren" System ausgehen könnten.
Weitergedacht: Natürlich wird auch dieses "bessere" System wieder eine Fehlentwicklung sein. Oder auch nicht. Vielleicht auch nur Teile. Aber so ists nunmal. Das ist die ewige Weiterentwicklung. Das ist Evolution. So funktioniert die Natur. Und wir sind genauso Natur. Deren Gesetze können wir nicht außer Kraft setzen. Es bleibt von jedem System das übrig, was funktioniert. Alles andere wird weggeschmissen. Viel von dem was du glaubst und viel von dem was ich glaub.