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Studium und Realität

icedieler

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20. März 2005
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1.432
kecks schrieb:
Offtopic (bitte verschieben, wenn störend):

Naja, ich finde es eher idiotisch, irgendwas zu studieren, was einen nicht interessiert, nur weil es "Bezug zur Wirtschaft" aufweist. Ein gut bezahlter Job in einem Beruf (das kommt immer noch von 'Berufung'...), der einem keine wirkliche Freude bereitet, ist für mich absolut indiskutabel. Wirtschaftlicher Erfolg als Lebensziel? Da fehlt dann aber eine ganze Menge! Ich hab' lieber wenig bis kein Geld in der Tasche (und notfalls noch halbtags einen Brotjob zusätzlich) und dafür eine Aufgabe, die ich um ihrer selbst willen mache (d.h. ich würde das auch ohne Bezahlung tun und bei einem Lottogewinn genauso weitermachen wie bisher).

Um es konkret zu machen: Es nervt mich als Dozentin (NdL :)) am meisten, wenn vor mir Leute sitzen, die nur da sind, weil sie sich durch dieses Studium "wirtschaftlichen Erfolg" versprechen (oder die das Ganze nicht spannend finden). Dabei geht es genau darum bei einem Studium nur sekundär - primär verkaufen wir an einer Uni nix, wir bieten keine Dienstleistung an, und wir bilden auch NICHT für die Wirtschaft aus. Was wir machen, ist BILDUNG. Wir vermitteln spannende Zusammenhänge, zeigen Hintergründe auf, verdeutlichen, was wissenschaftliches Arbeiten überhaupt ist (Kurzfassung: Wir bewahren kulturelles Wissen, wir geben kulturelles Wissen weiter und vor allem reflektieren wir die Geschichte und auch die aktuellen Zustände einer Kultur, indem wir ihr Zustandekommen historisch erklären). Unsere Absolventen können denken, analysieren, Informationen sammeln und daraus Wissen machen (Wissen und Information ist nicht dasselbe, noch nicht mal dasgleiche), selbiges dann auch wieder vermitteln...

Wer also daran denkt zu studieren, der möge bitte, bitte, bitte irgendwas auswählen, was er a) gut kann (nicht BWL versuchen, wenn man kein Mathe kann...) und b) was er/sie wirklich, wirklich spannend und begeisternd findet (spannend ist nicht 'interessant'; ein gutes Zeichen ist es, wenn ihr stundenlang über Euer Thema grübeln, oder je nach Typ auch texten könnt...). Ihr erspart Euch selber (und auch Euren zukünftigen Dozenten ;)!) damit ganz arg viel Frust.

Martys Anmerkung mit dem "die Guten systematisch verblöden, die Nullen durchschleppen" trifft einen Aspekte des Problems recht genau. Das ist aber generell ein Phänomen des deutschen Massenbildungssystems, das nicht genug individualisiert (schon im Kindergarten nicht) und immer das Mittelmass bestärkt, indem Kinder/Studierende etc. immer als Gruppe anstatt als einzelne Persönlichkeiten angesprochen werden.
ups, da hab ich doch einige leute ziemlich persönlich angegriffen mit meiner aussage. ;D

doch du erwähnst genau das, was mir selbst nicht passt. dass unis nur bildung vermitteln und nicht auf das wirtschaftliche leben vorbereiten sollen. diese einstellung ist sehr eingefahren und meiner meinung nach einfach nur veraltet. aber die uni klammert sich noch krampfhaft an diesem grundsatz fest. frelich kann die uni nicht die aufgaben einer ausbildung übernehmen (jedenfalls nicht hier ... in anderen ländern klappt das anscheinend ganz gut). spätestens nach der bachelor-umstellung (die ich aus wirtschaftlicher sicht begrüße, aus studentischer sicht überhaupt nicht) hätte sich das studium von grund aus ändern müssen (zugegebenermaßen sind wir noch in einer umstellungsphase), doch ich sehe die bachelors und bacheloretten genau das gleiche studieren, was ich auch studiere, nur mit einem höheren arbeitsvolumen. ein sinn des bachelorstudiums ist jedoch, dass die erste phase (der bachelor) die berufsausbildung ersetzen soll. der master ist in meinen augen die freiwillige investition der person in die bildung. wer sich weiterbilden will, darf das tun (bei entsprechender leistung), wer das nicht will, hat einen ersten hochschulabschluss inklusive ausbildung.

natürlich finde auch ich es schwachsinnig, wenn jemand mit insuffizienten fähigkeiten in chemie ein pharmaziestudium plant, nur weil die berufsaussichten dort vielleicht gut stehen. glaubt mir, ich kenne genügend beispiele, die in alle richtungen reichen. das fängt bei einer lange zeit arbeitslosen freundin mit abgeschlossenem studium der kulturwissenschaften (mittlerweile in gänzlich anderem bereich tätig) an und hört bei einer freundin, die das zweite mal ihr naturwissenschaftliches studium schmeisst weil die fähigkeiten und lernbereitschaft halt unzureichend sind noch lange nicht auf.
natürlich muss man eigene stärken erkennen und sein studienziel darauf ausrichten. aber es sind nun mal zum großen teil die geisteswissenschaftler sind, die regelmäßig ihren weg zum arbeitsamt antreten. wer nach dem studium keinen platz an einer uni bekommt, hätte genauso gut auch nicht studieren brauchen, denn auf das was kommt, ist er definitiv nicht vorbereitet.

man kann beinahe zur jedem raten, an der fh zu studieren.
oder überhaupt nicht zu studieren, sondern erst einmal zu arbeiten, wie es tox vorschlägt und später nebenher seinen wirt (oder was auch immer) zu machen. im nachhinein wäre das auch für mich das beste gewesen, aber ich wurde halt nicht übernommen und habe mich entschieden, zu studieren.

ich jedenfalls bin heilfroh, vorher meine ausbildung gemacht zu haben. laut einer studie (wars im spiegel?) erhöhen sich meine berufsaussichten um sagenhafte 35%.

ich stimme auch matten zu, dass die gesellschaft, wenn denn jeder sein studium nach berufsaussichten ausrichtet, sozial sehr verarmen würde. nur sollen sich die idealisten, sich sich für das studium nach interesse entschieden haben, später nicht beschweren, wenn sie a) in ihrem job hoffnungslos versagen oder b) ohne arbeit dastehen (b kann leicht a folgen).

so, eigentlich gings hier ja um faule schulabgänger und nicht um kritik am deutschen hochschulsystem.
 

Marty McFly

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korrekte Fakten, sehe ich auch so.
Außerdem ist das Thema "Studium und Realität", deine Ausführungen passen also schon. ;D

Wer hätte gedacht, dass sich diese Diskussion so entwickelt... :eek:
 
W

Wursti

Guest
Aus wirtschaftshistorischer (damit auch aus wirtschaftlicher) Sicht ist das Bachelorstudium der absolute Mist.

Zitat mein Ökonomieprof:
"Das, was die jetzt mit den Unis machen, sie zu Schulen absaufen zu lassen, ist überhaupt nicht kompatibel mit der institutionellen Struktur unserer Wirtschaft."

Ich würde das jetzt liebend gerne ausführen, aber dazu müsste ich ca. 3-4 Seiten schreiben, wofür ich einfach viel zu faul bin. ;D

Das Problem würde ich nicht in der Chronologie des Ausbildungsweges suchen. Es ist vielmehr eine historisch gewachsene Schieflage in der Interaktion der verschiedenen Institutionen.
Die Wirtschaft verlangt häufiger Abiturienten für viele Berufe. Entsprechend wird der Hauptschul- und Realschulabschluss abqualifiziert. Die Eltern, welche die Bildung ihrer Kinder lenken, drücken ihre Kinder natürlich mit aller Gewalt in die Gymnasien rein, ohne Rücksicht auf die Begabung der Kinder zu nehmen. In den Gymnasien kommen dann zwei Faktoren zusammen. Erstens alle Schulen orientieren sich am Mittelmaß (gute Schüler verschimmeln) und sind daran interessiert eine möglichst kleine Durchfallquote zu haben (Schlechte werden durchgemogelt). Die Folge: Faule und unfähige Studienanfänger.
Dazu kommt die mangelnde Persönlichkeitsbildung in Folge des neuen kulturellen Leitbildes: Der Konsument. Der Druck der Wirtschaft in Verbindung mit ihrer Macht führt dazu, dass Menschen quasi ausschließlich im Kontext ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder Nutzbarkeit gesehen. Damit verliert der Mensch als Persönlichkeit in der Gesellschaft eine stabile kontextuelle Einbindung. So ist es heute in der Gesellschaft extrem erschwert seine Individualität zu entdecken. Zur Individualität gehört aber das Leistungsprofil, welches im enger Verbindung zum Interessenprofil steht.
So sind die Abgänger nicht nur faul oder unfähig. Sie sind auch noch orientierungslos. Wenn ich mir meine Kommilitonen anschaue, dann findet sich genau das wieder:
Die Guten sind meist faul, das Gro ist unfähig, fast alle (80%) interessieren sich überhaupt nicht für das Fach und scheinbar für sonst nichts. Wenn ich Gespräche mithöre geht es quasi niemals um etwas anderes als irgendwelche Beziehungsgeschichten oder Partys. Mir scheint, dass die meisten in ihrer Sozialität total aufgehen, weil sie mit ihrer Individualität total überfordert zu sein scheinen (ich weiß, schrecklich arrogant, weil ich mich von dieser Negativbewertung auch automatisch abgrenze, aber who cares?).
Dazu stoßen diese Leute dann auch noch auf das Bachelorsystem. Es wird quasi alle Selbständigkeit abgenommen. Man kommt hin, gibt sein Hirn an der Cafeteria ab, lässt sich in den "Seminaren" (Seminar mit 80 Teilnehmern? Gut, dass ich Studiengebühren bezahle...) mit irgendetwas berieseln und geht wieder nach Hause. Das selbstständige Arbeiten, dass in dem sehr freien Diplom üblich sein musste, weil man ansonsten nicht durchkommt, fehlt quasi völlig.

Dazu kommt noch, dass aus unerfindlichen Gründen (naja, unerfindlich sind sie nicht) Schlüsselstellen der Institutionen (z.B. Lehrer) mit größtenteils mit unfähigen/faulen, orientierungslosen und unselbständigen Menschen besetzt. Diejenigen, welche sich in ihrem Studium wirklich engagieren und entsprechend entlohnt werden, suchen und finden einen Job an der Uni oder in der Wirtschaft. Sehr viele vom "Ausschuss", die nicht wissen, was und wie sie es wollen, machen einen auf Lehrer, größtenteils mit dem Gedanken, dass man da nicht so viel fachliche Kompetenz braucht.
Als Schüler habe ich mich immer gefragt, warum so viele Lehrer überhaupt keine Ahnung haben, was sie da machen. Jetzt weiß ich es, nachdem ich die zukünftigen Lehrer live erlebt habe. :(
 

icedieler

Active Member
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20. März 2005
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1.432
Wursti schrieb:
Dazu stoßen diese Leute dann auch noch auf das Bachelorsystem. Es wird quasi alle Selbständigkeit abgenommen. Man kommt hin, gibt sein Hirn an der Cafeteria ab, lässt sich in den "Seminaren" (Seminar mit 80 Teilnehmern? Gut, dass ich Studiengebühren bezahle...) mit irgendetwas berieseln und geht wieder nach Hause. Das selbstständige Arbeiten, dass in dem sehr freien Diplom üblich sein musste, weil man ansonsten nicht durchkommt, fehlt quasi völlig.
[...]
Als Schüler habe ich mich immer gefragt, warum so viele Lehrer überhaupt keine Ahnung haben, was sie da machen. Jetzt weiß ich es, nachdem ich die zukünftigen Lehrer live erlebt habe. :(
also ich weiss ja nicht, wie es an deiner uni aussieht, aber hier in jena unterscheidet sich ein bachelorstudium in keiner weise vom magisterstudium (beim diplom hab ich noch nicht so den einblick), nur dass die studenten halt modulkarten ausfüllen und mehr arbeitsvolumen zu bewältigen haben, wofür aber die zwischenprüfung wegfällt. die zukünftigen bachelors sitzen in haargenau den gleichen seminaren wie ich auch und müssen die gleichen aufgaben erledigen. auch wird ihnen keine selbständigkeit entzogen, sie müssen sogar mehr organisationstalent beweisen, da sie vorgaben haben, was zu belegen ist und sich die veranstaltungen irgendwie so legen müssen, dass es zu möglichst wenigen überschneidungen kommt. also auch auf dieser seite machen sie das gleiche wie ich, nur habe ich mehr freiheiten bei meiner stundenplanbelegung.

allerdings sollte das bachelorstudium nicht so aussehen, sondern wie eine berufsausbildung. und auch bei dieser wird man halt an der hand genommen und durchgeleitet (nicht ~geschleift, denn wer nix taugt, fliegt auch). das finde ich gar nicht so verkehrt. nur mussten die unis zugegebenermaßen ihr altes eingefahrenes system von heute auf morgen umstellen. das geht natürlich nicht muss auch ich zugeben. doch ich sehe auch in ferner zukunft kein licht. die bachelors werden (nach kleinen anpassungsprozessen von beiden seiten) auch weiterhin quasi das gleiche machen wie auch ich jetzt. so ist es aber nicht gewollt. das bachelor-system wurde eingeführt, um internationale vergleichsmöglichkeiten zu öffnen. nur ist ein deutscher bachelor (zumindest in meinem ehem. magisterstudiengang) nach dem studium eigentlich nichts anderes als ein m.a. nach kürzerer studienzeit.

80 teilnehmer in einem seminar ist doch standard ...? anders gehts gar nicht mehr, dozenten haben sich damit abgefunden. letztendlich gehts auch an der uni um zahlen. die hochschule versucht halt, einen gewissen schnitt an studenten zu halten und den ggf. zu erhöhen, auch wenn die kapazitäten nicht ausreichen.

mit den lehrern geb ich dir recht, ich sitze ja in mehreren erziehungsveranstaltungen mit denen zusammen. aber es gibt trotzdem noch einige, bei denen ich mein kind später in den unterricht schicken würde. den anderen traue ich eh nicht zu, dass sie durchkommen ...

ps: dass die die meisten dozenten über die umstellung zum bachelor schimpfen, ist klar. da hör ich schon gar nicht mehr drauf. die mussten sich zur umstellung natürlich ein wenig drehen und hatten nicht mehr ganz so viel zeit für das, was sie am liebsten tun: forschen. es gibt aber zum glück noch ein paar, die den fokus auf die lehre legen und dem ganzen nicht so negativ gegenüberstehen.
 

kecks

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Wir haben hier in München in der NdL im Schnitt 25 Leute im Proseminar, und wir sind das größte germanistische Institut der Welt (und NdL ist kein Exotenfach, sondern von den Zahlen her Nr. 3 nach BWL und Jura; unsere Absolventen haben nach 2 Jahren zu 80% einen Job, und der ist i.a. nicht der sprichwörtliche Taxifahrer). Es stimmt einfach nicht, daß Geisteswissenschaftler arbeitslos werden - die Statistik sagt was anderes. Sie sind einfach sehr breit für sehr viele unterschiedliche Aufgaben (klassisch: Bildung und Lehre, PR, Marketing, Journalismus, Kultur, Verlage, Museen, Agenturen...) qualifiziert. Vielleicht kann man das ohne entsprechendes Studium schwer nachvollziehen, aber wer selber GW macht, der weiß, WIE GROSS die Umstellung durch den hirnverbrannten Bologna-Prozeß ist. Eine gewachsene Hochschulkultur wird komplett zerstört (in der ganzen EU!) und im Schnellschuß durch ein verschultes Auswendiglernsystem ersetzt. Wissenschaftliches Arbeiten ist im BA nicht gefragt und soll erst im MA gemacht werden (wo wir es dann einfach von den Leuten erwarten, ohne daß sie die Chance hatten, es zu lernen...). Dabei ist genau dieses wissenschaftliche Arbeiten das, was immer unter dem Stichwort "Schlüsselqualifikation" durch die Festschriften geistert: Das ist das, was man neben einigem Bildungswissen bei uns Lernen kann, und das ist das, was die unsere Absolventen so breit qualifiziert.

Ich finde es ein bißchen erschreckend, wie hier einige der Jüngeren es so einfach hinnehmen, daß die Ökonomie alles diktiert. Es gibt auch noch andere gesellschaftliche (und vor allem bildungspolitische) Optionen als den neuen Gott namens "Marktwirtschaft" anzubeten! (Und genau das macht, wer eine an der Wirtschaft orientierte "Ausbildung" aller fordert und anderes als "altmodisch" abtut. Nicht alles im Leben ist zweckrational - die eigene Ausbildung sollte es am allerwenigsten sein! Macht, was Euch Freude macht, und nicht, was angeblich der Arbeitsmarkt von Euch fordert. Bis ihr fertig seid sieht der eh schon wieder GANZ anders aus. Wer was kann, der findet auch was.)
 
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