AW: Simple Living
Guten Morgen, Leute!
Besonders Thomas' Posting gefällt mir in diesem Thread. Er spricht mir zwar nicht wirklich aus der Seele, da ich von Kindesbeinen an mit einem relativen Reichtum gesegnet war (meine Eltern besitzen ein großes Eigenheim, sind finanziell weitestgehend unabhängig, es gibt reichlich zu essen bei uns, ich habe als Kind viele Dinge bekommen), dennoch spricht mich diese ganz ungezwungene Einstellung zur
Einfachheit an.
Ich kann Verena verstehen, da mich die Frage
Geld oder Lebensqualität schon desöfteren ereilt hat. Gerade in einer Branche wie der, für die ich mich momentan ausbilde (Software-Entwicklung) hat die Arbeit den Ruf, schnell einmal auf 50-60 Stunden wöchentlich anzusteigen. Wenn ich mir vorstelle, wie ich 5 x die Woche 12 Stunden in einem Büro vor einem Monitor sitze, kommt mir das kalte Grausen. Im Leben kann es nicht um diese Dinge gehen, so viel habe ich davon verstanden.
Auch mit taurus' Posting kann ich mich sympathisieren. Ich habe einmal den Begriff der
Luxese eingeführt. Dieses Wort ist eine Synthese aus
Luxus und
Askese und beschreibt die Einstellung, wenig materielle Güter zu besitzen zu wollen, doch bei den wenigen nicht zu sparen und sich das Beste für einen zu leisten. Das ist für mich die Herangehensweise, die mich am ehesten anspricht. Ich habe gestern noch ein wenig nach dem englischen Term
Frugal Living gegoogelt und konnte mich mit den Ergebnissen nicht wirklich anfreunden. Verzicht auf unnütze Güter ist sinnvoll, allerdings scheinen mir Aussagen wie
"Kaufe deine Kleidung nur, wenn sie mindestens 50% preisreduziert ist." befremdlich. Wenn mich ein solcher Lebensstil befreien soll, dann brauche ich immer noch die Macht darüber, was ich konsumiere. Ich für meinen Teil möchte an den Dingen Freude haben - und nicht in erster Linie auf den Preis schauen.
Als Anekdote: Ich habe unlängst mein Zimmer wieder einmal aufgeräumt und hatte dabei vorübergehend einen kleinen Panikanfall, als mir bewusst geworden ist, wie viele Gegenstände sich in meinem Besitz befinden. Mich hat die schiere Menge von einem Moment auf den anderen geradezu erschlagen und ich habe mich sehr schlecht gefühlt. Das meiste davon brauche ich nicht, habe aber dennoch Skrupel, es einfach zu entsorgen. Das angepriesene Weiterverkaufen ist allerdings keine Option für mich. Gerade via eBay habe ich die Erfahrung gemacht, dass es viel Zeit und Nerven kostet, viele Gegenstände mit relativ geringem Wert zu veräußern. Verschenken ist hier sicher die bessere Option.
Ich werde im Laufe der nächsten Wochen das erste Mal in meinem Leben den Wohnort wechseln, wenn ich zu meiner Freundin ziehe. Für mich wird das ein Schritt, mit dem ich viele Gegenstände hinter mir lasse und nur noch das mit mir nehme, was ich wirklich brauche. Ich finde diese Vorstellung befreiend.
Auf der Facebook-Profilseite einer ehemaligen Schulkollegin habe ich gestern gelesen
"Man kennt vielleicht 6- oder 7000 Menschen. Reden tut man aber immer nur von 6-7." Für mich gilt das selbe für Gegenstände, die man besitzt. Ich besitze vielleicht zwei- oder dreitausend Gegenstände. Verwenden tue ich aber immer nur eine geringe Menge davon:
- ~4 Sets an Kleidung, dazu noch Schuhe und Jacken
- Notebook und Peripherie, Router
- iPhone
- Schüttelpennal mit Stiften
- Tagebuch
- Rucksack
- Trinkflasche
- Toilettartikel
Das sind so circa die Gegenstände, die ich täglich verwende. Anderes verwende ich öfter pro Woche. Wieder anderes vielleicht nur einmal im Monat. Und der Großteil der Dinge ist sicher seit Jahren schon nicht mehr benutzt worden.
Es wurde also ohnehin höchste Zeit, dass ich entmülle.
Dennoch,
einfaches Leben hat in meinen Augen mehr Dimensionen als die Menge an materiellen Besitztümern allein. Es hat ebenfalls eine philosophische bzw. spirituelle Dimension. Es ist ein Synonym für die Anhaftung an Dinge, die wir exerzieren - das gilt auch für unsere Beziehungen. Genau wie wir Dinge, die uns nur noch belasten, nicht loslassen können, halten wir auch oft Menschen bei uns, die uns nur noch belasten.
Einfaches Leben regt meiner Meinung nach auch dazu an, Beziehungshygiene zu leben und sich auch in dieser Hinsicht zu befreien. Eine weitere Dimension ist sicher die Meinungsfreiheit, die man sich in größerem Maß aneignet, indem man sich ganz bewusst von der ständigen Versorgung mit Neuigkeiten distanziert. Man könnte es
Gedankenhygiene taufen.
Allein, wir werden niemals gänzlich rein sein können, in welcher Hinsicht auch immer. Ich denke, das zu akzeptieren ist wichtig für jemanden, der sich aufmacht, sein Leben zu vereinfachen. Es wird dadurch lebenswerter - zu Heiligen macht es uns aber in aller Regel nicht.
Liebe Grüße und Danke für das Lauschen dieses unstrukturierten Monologs
Simon